1834 wanderten die Familie von Roeder aus Marienmünster -Vörden und die in Herstelle geborenen und in Beverungen aufgewachsenen Brüder Robert Justus und Louis Kleberg nach Texas, das damals noch zu Mexiko gehörte, aus. Robert war seit kurzem mit Rosalia von Roeder verheiratet. Es war eine abenteuerliche Odyssee, in einem kaum besiedelten Land eine neue Heimat zu finden. Caroline Luise von Roeder, Gattin des Ex-Leutnants Ludwig Anton Sigismund von Roeder, schrieb an ihre Schwester in der Heimat einen Brief, der ihre Lage im Land beleuchtet.
(Hermann Multhaupt)
Hier ist der Brief der Baronin im aus dem Amerikanischen übertragenen Wortlaut (Auszug):
Ach, die Amerikaner sind nicht besser, und sie sind doch unsere einzigen Verbündeten. Sie können nicht ohne Pistole leben. Sie schlafen mehr mit ihren Gewehren als mit ihren Frauen. Und dieser Krieg steckt die Grenzen ab in dieser zänkischen Welt. So ist es immer. Und das führt mich zu der bittersüßen Hochzeit unseres abenteuerlichen, tollen Sohnes Sigismund, dessen Duell mit dem Prinzen von Preußen und bedingte Begnadigung vor dem Gefängnis uns alle nach Mexiko brachte. Er hat in San Felipe überraschend geheiratet, nachdem er einen Mann mit demselben Schwert getötet hatte, das den Prinzen von Preußen schlug. Louis (Ludwig) Kleberg war anwesend und sah beides, sowohl das Töten und die Hochzeit in einem Zeitraum von zwanzig Minuten…
Er gab uns folgenden Bericht: Es scheint, dass ein Dutzend junger Leute im Haus von Benjamin Buckingham am Brazos-River zusammentrafen. Dieser junge Kentuckier hatte kürzlich seine schöne junge Braut auf seine Plantage gebracht. Sie waren alle am Feiern. Sie tanzten, tranken, sangen, lachten, bis schließlich, wie üblich in dieser neuen Welt und zum Glück für die andere Gesellschaft, die Männer Karten zu spielen begannen.
Zuerst war es ein geselliges Spiel. Die Einsätze waren gering. Aber bald rasteten die Verlierer aus – Sigismund war am meisten beglückt durch die Göttin Fortuna. Sie behandelte Buckingham geringschätzig. Das Spiel beschränkte sich schließlich auf die zwei; mein Sohn schlug eine Begrenzung des Einsatzes vor. Sein Gegner, ein Sprössling der „Wohlstands-Rasse“, verlangte, jede Beschränkung zu unterlassen. Also spielten und tranken sie die ganze Nacht… Das Glück schwankte hin und her, aber sie spielten und tranken immer weiter. Die alkoholischen Getränke reizten vor den Augen der Zuschauer zu immer größerem Einsatz. Sigismund gewann immer öfter. Als Buckinghams Kasse leer war, zog er Kaufverträge für Maulesel, Arbeitspferde und ein Paar Ochsen aus der Tasche. Einer nach dem anderen kamen Buckinghams Sklaven herbei. Sie standen draußen in der Halle, arme schwarze Habenichtse, alte und junge, Männer, Frauen und Kinder. Sigismund raffte den Kaufvertrag für alle von der Mitte des langen Tisches und beschwerte ihn mit einem Ziegelstein aus dem Brazozfluss. Das Spiel ging weiter. Am Mittag aßen die Zuschauer saftiges Beef und Sandwiches, belegt mit Fleisch von wildem Truthahn, die von der Küche von außen hereingebracht wurden. Aber die Spieler aßen nichts, sie spielten. Als sein persönliches Vermögen – Wagen, Buggys, Sattel, Pflüge, Pflanzer, Rennpferde und alle anderen Tiere mit ihrem Futter und Pferdegeschirr – verspielt war, schickte Buckingham nach Wechsel für die verschiedenen Parzellen seiner Plantagen. Seine Freunde baten ihn, aufzuhören.
„Ich will nicht aufhören“, schrie er mit der Raserei eines Spielers. „Mein Glück kommt zurück. Ihr wartet und werdet sehen.“
Natürlich konnte Sigismund nicht aufgeben. Er war der Gewinner. Er musste spielen. „Ich werde aufhören, wann immer er es wünscht. Aber nicht eher.“
Die Wechselpapiere kamen zurück. Buckingham legte die Urkunde über seine große Farm auf den Tisch und beschwerte sie mit einem Ziegelstein. Er schaute sich im Raum um. Jedes Auge folgte seinem Blick. Nicht ein Wort wurde gesprochen. „Mehr Licht!“ Allmählich dämmerte es. Ein alter weißhaariger Negro schlurfte zum Tisch und stellte Kerzen neben die Spieler. Als er hinausging, öffnete er die große schwere Tür aus Wallnussbaum. Jeder folgte seinen Schritten. Dort stand die Braut in ihrer ganzen Schönheit wie ein erblühter Wald im Februar. Sie legte ihre Hand auf den Arm ihres Mannes. „Komm, Liebster. Lass uns gehen“, sagte sie. „Du bist müde.“
„Müde sind wir alle“, erwiderten einige junge Männer und kicherten.
„Du meinst, dass ich ein gebrochener Mann bin?“, schnaubte Buckingham. „Aber ich bin es nicht!“ Seine Faust krachte auf den Tisch, als er seine Heiratsurkunde entweihend auf den Platz zwischen die Kerzen warf. „Ich werde um sie spielen.“
Sigismund legte seine gewonnenen Urkunden in die Mitte des Tisches. „Gewiss wollen wir.“
Und dann zog er den Hut mit dem Schwung eines Kavaliers, und mit einer tiefen Verbeugung vor der Braut sagte er: „Aber nicht ohne das Einverständnis der Lady.“
Sie lächelte – und sie spielten. Buckingham verlor, und als Sigismund den Ziegelstein hob und seine Gewinne mit der Heiratsurkunde zusammenraffte, feuerte Buckingham – aber er schoss daneben. Und als er nach einer anderen Pistole griff, zog Sigismund sein Schwert und durchbohrte ihn.
Der Leichenbeschauer kam, erkannte auf Notwehr. Als der Körper auf einer Tragbahre durch die Doppeltür hinausgetragen wurde, hörte man denselben Beamten in auffallend klingender Stimme fragen: „Wollen Sie, Barbara Buckingham, diesen Mann heiraten?“ –
Sigismund ist nun dabei, den vollständigen Buckingham-Besitz zu verkaufen. Er zieht mit seiner reizenden Frau nach Westtexas. Nun werden wir nicht mehr viel von ihm erfahren, aber wir alle fühlen, dass er auf die Füße gefallen ist und seinen eigenen Grund erworben hat.
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