Konrad Adenauer, von 1949-1963 erster Kanzler der neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland, reiste 1955 mit einer Delegation aus hochrangigen Politikern und Diplomaten nach Moskau. Zwar lehnte er das dort herrschende „Soffjet"-Regime ab, doch als Realpolitiker wusste er um die Bedeutung der deutsch-russischen Beziehungen. Wichtigstes humanitäres Ziel der Reise waren Verhandlungen über die Freilassung von fast 10.000 noch in Russland festgehaltenen Gefangenen aus dem 2. Weltkrieg.
Der Besuch war die erste offizielle deutsch-sowjetische Begegnung nach dem Ende des Krieges und der alte Fuchs Adenauer hatte Sorge, dass seine Mitstreiter den legendären Trinkgewohnheiten der Gastgeber nicht würden standhalten können. Deshalb rief er sie vor dem Beginn der Gespräche zusammen und forderte sie auf, einige Schlucke von dem Olivenöl, das er mitgebracht hatte, zu trinken. Sein Arzt hatte ihm gesagt, dass das Öl die Wirkung des russischen Wodkas erheblich neutralisieren würde. Das Experiment klappte. Die deutschen Verhandlungspartner zeigten Trinkfestigkeit und Stehvermögen.
Die Reise wurde zu einem der größten politischen Erfolge des „Alten aus Rhöndorf". Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion wurden ständige diplomatische Beziehungen aufgenommen und Botschafter ausgetauscht. 9.500 Kriegsgefangene kamen frei und konnten von ihren Angehörigen in die Arme geschlossen werden. „Nun danket alle Gott" klang es über dem Lager Friedland, als die ersten 600 Heimkehrer dort eintrafen und alle sangen unter Tränen mit. Der Tag wurde zu einem der emotionalen Höhepunkte der deutschen Nachkriegsgeschichte.
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Vorschaubild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F078072-0004 / Katherine Young / CC-BY-SA
Fotos oben rechts und mitte links: Olga Heinzl
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