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Ein Buch, das zu Herzen geht

Klinikclown Knuddel erinnert an die vielen Kindern und Jugendlichen, die er begleiten durfte, und in seinen Geschichten lässt er ihr Wesen und ihre Persönlichkeit nochmals aufleben. Geschichten über die Liebe und einen Clown im Sterbezimmer.

Biedermeier

Biedermeier

Georg Bürke

Stilepoche von 1815 bis 1850

Der Name stammt von der literarischen Figur des spießbürgerlichen schwäbischen Dorflehrers Gottlieb Biedermaier (mit ai geschrieben). Sie wurde von dem Juristen und Dichter Ludwig Eichrodt (1827-1892) und seinem Freund, dem Arzt Adolf Kußmaul geschaffen. Schon kurz zuvor hatte der revolutionäre Dichter Ludwig Pfau (1821-1894) in einem Gedicht mit dem Titel „Herr Biedermeier" sich über einen Spießer mit Doppelmoral mokiert. Als Begriff für die Stilepoche kam er (mit ei geschrieben) erst nach 1850 in Gebrauch.
Carl Spitzweg: Der arme Poet
Carl Spitzweg: Der arme Poet
Die Kultur des Biedermeier war eine Reaktion enttäuschter Bürger auf die durch den Wiener Kongress und die „Karlsbader Beschlüsse" eingeleitete Epoche der Restauration. Vor allem das Bürgertum in Deutschland hatte sich während der Freiheitskriege gegen Napoleon mehr individuelle Freiheitsrechte und einen einheitlichen deutschen Staat erhofft. Stattdessen musste es Kleinstaaterei und fürstlichen Absolutismus über sich ergehen lassen. Hiergegen setzten sich einige Kulturschaffende zur Wehr („Vormärz", Heinrich Heine, Karl Marx u. a.), andere zogen sich resignierend ins Unpolitische und Private zurück. Dies äußerte sich anfänglich vor allem in der Wohnkultur („Biedermeier-Möbel"), der Mode, dann auch in der Musik (Hausmusik), der bildenden Kunst, in der Lebensgestaltung und schließlich in der Literatur. Ein Exponent und gleichzeitig Karikaturist dieser Kultur war in seinen jüngeren Jahren der Maler Carl Spitzweg („Der arme Poet", „Der Sonntagsspaziergang").
Biedermeier-Möbel im Stifterhaus in Linz
Biedermeier-Möbel im Stifterhaus in Linz

In der Literatur war der Biedermeierstil weitgehend auf Österreich und den süddeutschen Raum beschränkt. Wichtigste Vertreter waren in Österreich Adalbert Stifter, Ferdinand Raimund, Johannes Nestroy, Franz Grillparzer und Nikolaus Lenau, in Deutschland Eduard Mörike, Annette von Droste-Hülshoff und Karl Immermann.

Kennzeichnend für das Biedermeier waren die Beschäftigung mit den kleinen Dingen, mit Privatem, Überschaubarem und Harmonischem. Die große Politik wurde außen vor gelassen. Stattdessen befasste man sich mit dem häuslichen bürgerlichen Leben, mit Natur und Umwelt und der teilweise verklärten Vergangenheit. Stifter sprach von der „Andacht zum Kleinen" und vom „sanften Gesetz", Mörike vom „holden Bescheiden". Eichrodt und Kußmaul sagten über ihren Herrn Biedermaier, „dass seine kleine Stube, sein enger Garten ... und das dürftige Los eines verachteten Dorfschulmeisters ihm zu irdischer Glückseligkeit verhelfen."

Berliner Köchin aus der Biedermeierzeit
Berliner Köchin aus der Biedermeierzeit

Angestrebt wurde trotzdem eine hohe Lebenskunst und eine hohe sittliche Seelenkultur. Ziel war die Synthese zwischen Ideal und Wirklichkeit. Der Stil war gepflegt, aber verhalten. Wichtigste Dichtungsgattung war die Kleinkunst, die Novelle, Kurzerzählung oder Verserzählung. Ausnahmen bildeten Mörikes Künstler-und Bildungsroman „Maler Nolten" oder Stifters Romane „Nachsommer" und „Witiko". Große Dramen waren rar (Grillparzer), auch hier dominierten Kleinkunst und Possen (Nestroy). In der Lyrik bildeten die Weimarer Klassik und die Romantik das Vorbild.

Die Dichter und Schriftsteller des Biedermeier waren zu ihren Lebzeiten nicht sehr erfolgreich. Sie bildeten auch keine geschlossene Gruppe und keine bewussten Künstlerkreise, sondern arbeiteten vereinzelt. Erst seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde ihre Bedeutung zunehmend anerkannt. 

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- Vorschaubild: Emilie Fontane, geb. Labry (1797-1869). Scherenschnitt vor 1869, Künstler unbekannt. Quelle: Theodor Fontane zum Gedächtnis (= Brandenburgische Jahrbücher. Band 9). Hayn, Potsdam und Berlin 1937,  S. 9, via wikimedia commons.
- Carl Spitzweg (1808-1885): Der arme Poet (1839, Heutiger Standort: Neue Pinakothek, München.

- Biedermeier-Möbel im Arbeitszimmer von Adalbert Stifter im Stifterhaus in Linz.
Urheber: Gerhard Anzinger, Wels, CC-BY SA 3.0, via wikimedia commons
- Berliner Köchin aus der Biedermeierzeit. Zeichnung aus der 1. Hälfte des 19.Jh. Quelle: Scan aus Ola Alsen: Dienstbotentrachten, in: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jg. 1913, 9. Bd., S. 166 (siehe auch Scan bei archive.org), Public Domain, Quelle: wikimedia commons.

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