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Der Traum des Mauerseglers

Berndt Seites Gedichte schätzen die Kraft des Moments. Sie tauchen in ihn ein, entdecken Höhen und Abgründe und legen dabei Vers für Vers frei, wie wir durch das Leben gehen, wer wir sein wollen und wer wir – manchmal wider Willen – dabei werden.

Es sind Gedichte, die träumen, schimpfen und scherzen, sie führen uns von leisen Beobachtungen hin zu den ersten Fragen, die damit ringen, womöglich zu den letzten zu gehören.

Nun ruhen alle Wälder

Nun ruhen alle Wälder

Paul Gerhardt

Das ursprünglich geistlich verwurzelte Abendlied geht auf den evangelischen Theologen Paul Gerhardt zurück und ist im 17. Jahrhundert entstanden. Die erste Veröffentlichung erfuhr es 1647 in dem musikalischen Andachtsbuch „Praxis pietatis melica“ in Berlin. In Anlehnung an die Rhythmik, den Inhalt und zum Teil auch die Melodie des Stückes, entstand später das bekannte Abendlied „Der Mond ist aufgegangen“ von Matthias Claudius. Die Melodie entstammt dem geistlichen Lied „O Welt, ich muß dich lassen“ aus dem 15.Jahrhundert, welche ebenso für das bekannte „Innsbruck, ich muss dich lassen“ verwendet wurde.

Die in der ersten Strophe verwendete Naturszene soll auf den lateinischen Dichter und Epiker Vergil zurückgehen. Die poetische Beschreibung der schlafenden Umwelt wird dabei um die Verbundenheit zu Gott und Jesus ergänzt. Im Verlauf der lyrischen Ausführungen erfährt die abendliche Dämmerung eine Parallelität zu dem Tod und der damit verbundenen Erlösung durch Gott.

Carolin Eberhardt

Nun ruhen alle Wälder

1. Nun ruhen alle Wälder,

Vieh, Menschen, Städt‘ und Felder,

es schläft die ganze Welt:

ihr aber, meine Sinnen,

auf, auf, ihr sollt beginnen,

was eurem Schöpfer wohlgefällt.


2. Wo bist du, Sonne, blieben?

Die Nacht hat dich vertrieben,

die Nacht, des Tages Feind.

Fahr hin; ein andre Sonne,

mein Jesus, meine Wonne,

gar hell in meinem Herzen scheint.


3. Der Tag ist nun vergangen,

die güldnen Sternlein prangen

am blauen Himmelssaal;

also werd ich auch stehen,

wenn mich wird heißen gehen

mein Gott aus diesem Jammertal.


4. Der Leib eilt nun zur Ruhe,

legt ab das Kleid und Schuhe,

das Bild der Sterblichkeit;

die zieh ich aus, dagegen

wird Christus mir anlegen

den Rock der Ehr und Herrlichkeit.


5. Das Haupt, die Füß und Hände

sind froh, dass nun zum Ende

die Arbeit kommen sei.

Hert, freu dich, du sollst werden

vom Elend dieser Erden

und von der Sünden Arbeit frei.


6. Nun geht, ihr matten Glieder,

geht hin und legt euch nieder,

der Betten ihr begehrt.

Es kommen Stund und Zeiten,

da man euch wird bereiten

zur ruh ein Bettlein in der Erd.


7. Mein Augen stehn verdrossen,

im Nu sind sie geschlossen.

Wo bleibt dann Leib und Seel?

Nimm sie zu deinen Gnaden,

sei gut für allen Schaden,

du Aug und Wächter Israel'.


8. Breit aus die Flügel beide,

o Jesu, meine Freude,

und nimm dein Küchlein ein!

Will Satan mich verschlingen,

so lass die Englein singen:

„Dies Kind soll unverletzet sein.“


9. Ach euch, ihr meine Lieben,

soll heute nicht betrüben

kein Unfall noch Gefahr.

Gott lass euch selig schlafen,

stell euch die güldnen Waffen

ums Bett und seiner Engel Schar.

Melodie anhören

*****

Vorschaubild - Dunkler Wald von Brigitte Werner- CC0 via pixabay.com


Noten gesetzt von Carolin Eberhardt

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