Vor mehr als zweitausend Jahren, in den letzten Septembertagen des Jahres 9 nach Chr., die Zeitangabe bleibt allerdings nach wie vor fraglich, besiegten die Germanen die siegverwöhnten Römer und brachten ihnen eine schwere Niederlage bei. Dieser unverhoffte Sieg vereinter „barbarischer" Stämme über die Träger einer der mächtigsten Zivilisationen der Antike erwies sich als eines der bedeutendsten, weil folgenschwersten Ereignisse in der Frühzeit Europas und des Gebietes, in dem das spätere Deutschland entstand.
Das Geschehen und sein Name
Vielfach wurde das folgenreiche Geschehen als „Schlacht im Teutoburger Wald" beschrieben - die Bezeichnung stammt von dem Begriff „saltus Teutoburgiensis" aus den Annalen, Buch 1, Kapitel 60, von Tacitus ab, einem römischen Geschichtsschreiber des 1. Jahrhunderts, der aber kein Zeitgenosse der Schlacht war, sondern etwa 55 bis nach 115 n. Chr. lebte. Heute sind die Ereignisse zumeist nach dem römischen Verlierer Publius Quinctilius Varus, den Statthalter von Germanien in den Jahren 7 bis 9 n. Chr., als „Varusschlacht" benannt.
Denn Germanien war zu dieser Zeit von den Römern besetzt. Die unterworfenen Germanen erhoben sich nun gegen die Römer. Doch eigentlich war es mehr ein blutiges Gemetzel, ein Abschlachten der in einen Hinterhalt gelockten XVII., XVIII. und XIX. römischen Legion mit über 22.000 Kämpfern unter dem Oberbefehl des Varus, die sich auf einem Marsch von der Weser zum Rhein befanden. Seinen zentralen Helden machte die Varuskatastrophe zur bekanntesten Gestalt der germanischen Frühgeschichte, bis heute:
Arminius, Sohn eines Cheruskerfürsten und Befehlshaber cheruskischer Hilfstruppen im römischen Heer. Denn ihm gelang es, sich als stammesübergreifender Heerführer von Cheruskern und Nachbarstämmen zu etablieren und in einer dreitägigen Schlacht die sehr lange römische Truppenkolonne von drei Legionen mit ihren Hilfstruppen vernichtend zu schlagen. Damit wurde das offensive Vorgehen der Römer gegen die rechtsrheinischen Germanen trotz nachfolgender weiterer Auseinandersetzungen gestoppt und die Expansion des Römischen Reiches fand ihre Grenze, die sich bald auch im Limes dokumentieren sollte.
Die spärliche Überlieferung
Allerdings existieren in antiken Quellen nur wenig überlieferte Auskünfte über das wirkliche Geschehen um die Varuskatastrophe. Das Interesse Roms an schriftlichen Belegen der verheerenden Niederlage war verständlicherweise eher niedrig. Als erstes beschäftigten sich im Nachgang der Ereignisse antike Autoren und Geschichtsschreiber wie Cassius Dio, Flores, Velleius Pateraulus und Strabo mit den Ereignissen der Varusschlacht. Sie suchten die Gründe der römischen Niederlage in den herrschenden Naturgewalten: Regen und die unwegsamen Wälder trugen nach ihrer Sicht vorrangig die Schuld an der Katastrophe und nicht die von Arminius angeführten und vom Kampfeswillen überzeugten Germanen oder die taktische Kühnheit ihres Anführers.
Die Germanen dagegen konnten ihre Version der siegreichen Schlacht auch nicht überliefern, da es an einer germanischen Schriftkultur mangelte. Dementsprechend gingen die Erinnerungen an das Ereignis unter den beteiligten Völkern im Laufe der nächsten fünfzehn Jahrhunderte fast verloren. Erst durch die Humanisten und die Reformation erlebte das Wissen um die Schlacht im 16. Jahrhundert mit der neuen Erschließung der antiken Quellen von Tacitus bis Velleius Pateraulus eine Neuentdeckung und quasi eine Erweckung aus seinem „Dornröschenschlaf", wie es manche Autoren nennen. Im 18. und vor allem im 19. Jahrhundert verfestigte sich unter politischen Vorzeichen die Erzählung darüber zum Gründungsmythos der deutschen Nation, ohne ihn allerdings kritisch zu hinterfragen. Heute wird von der Forschung insbesondere die Gleichsetzung von „germanisch" und „deutsch" abgelehnt.
Der Mythos der Schlacht
Die Schlacht im Teutoburger Wald gilt als eine der verheerendsten Niederlagen in der römischen Militärgeschichte. Die Niederlage der römischen Streitmacht, die als eine der größten der damaligen Zeit galt, wurde bald Quinctilius Varus allein zugeschrieben. In einer eigentlichen Polizei- und Ordnungsaktion sollte er die aufständischen Germanen niederschlagen. Danach wollte er mit seinen Legionen in das Winterkastell nahe der heutigen schweizerischen Stadt Xanten weitermarschieren. Doch Arminius, eigentlich ein römischer Vertrauter und Heerführer einer Auxiliareinheit, also einer Hilfstruppe von Verbündeten, konnte mit einer kühnen List die bis dahin als unbesiegbar scheinenden römischen Truppen unter Varus bezwingen.
Anfangs versuchten die Römer Varus noch als unglücklichen Helden mit einem missgünstigen Schicksal darzustellen. Man wollte nicht die römische Stärke in Frage stellen; selbst das nach Rom übersandte Haupt des Varus wurde ehrenvoll bestattet. Erst Jahre nach dem Unglück, mit dem Sturz der hoch angesehenen, vornehmen Familie der Quinctilii in Rom 29 n. Chr., entstand der zweifelhafte Ruf des Varus als Verlierer und die Schlacht erhielt erst ihre verheerende politische Nachwirkung. Angesichts innenpolitischer Probleme in Rom um diese Zeit wurde Varus nun persönliches Versagen nachgesagt und er zur alleinigen Schuldfigur der Katastrophe gestempelt. Wie von Sueton überliefert, soll die Nachricht von der Niederlage in Rom dem Kaiser Augustus angeblich die inzwischen legendären Worte entlockt haben: „Varus, gib mir meine Legionen wieder!" Allerdings berichtete das Sueton in seiner Biographie des Augustus mehr als 100 Jahre nach dem Ereignis.
In Folge der Schlacht mussten die Römer ihren Eroberungsanspruch im rechtsrheinischen Gebiet aufgeben. Kaiser Tiberius, Adoptivsohn und Nachfolger des Augustus, brach die bis dahin noch betriebene Wiedereroberung Germaniens im Jahr 16 ab. Die Römer fokussierten sich von da an auf die Verteidigung und Stabilisierung ihrer Herrschaftsgebiete am Rhein. Die Germanen vermochten ihren Sieg jedoch nicht zu nutzen. Denn der Wille Arminius, alle germanischen Stämme unter seiner Führung gegen Rom in einer Art germanischen Königreich zu vereinen, scheiterte letztendlich mit seiner Ermordung durch seine Verwandten 21 n. Chr.
Der Schlachtort
In der Archäologie wird die Lokalisierung der Schlachtorte kontrovers diskutiert. Im näheren und weiteren Umkreis kam es zu insgesamt etwa 700 Lokalisierungsvorschlägen. Ein Museum über die kriegerischen Auseinandersetzungen des Jahres 9 n. Chr. in der Kalkrieser- Niewedder Senke zeigt ein großes Fundareal an Münzen und Knochengräbern. An diesem Ort wurde auch die berühmte Reitermaske eines römischen Legionärs gefunden. Aber auch andere Orte wie der „Oberesch" weisen Spuren der Schlacht auf. So befindet sich hier eine 400 Meter lange Wallanlage, die auf die römische Niederlage im Jahre 9 n. Chr. schließen lässt. Auch die Dauerausstellung im Lippischen Landesmuseum Detmold zeigt den „Mythos Varusschlacht" und versteht sich als „die größte und umfassendste Dauerausstellung" zum Thema.
Die Varusschlacht bietet aber immer wieder neue Spekulationen, die von einer Vielzahl von Autoren verschieden dargestellt werden. Letztendlich wird wohl erst durch weitere Funde eine genaue Ortsbestimmung erfolgen und das Geschehen in seinen ganzen Dimensionen erschlossen werden können.
Literatur
Bildquellen
Vorschaubild:Das Hermannsdenkmal bei Detmold (hier auf einer Postkarte um 1900), gemeinfrei
Die Hermannsschlacht (kolorierte Reproduktion), Gemälde von Friedrich Gunkel, 1862-1864, zerstört im Zweiten Weltkrieg, gemeinfrei
Blick vom Hermannsdenkmal auf dem Teutberg in Richtung Nordwesten über den Teutoburger Wald. Urheber: arminia via Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Kalkriese Ort der Varusschlacht Urheber: Benutzer:Stahlkocher via Wikimedia Commons. (CC BY-SA 3.0)