Dieses kurze Wintergedicht lässt die Fantasie des Lesers eigene Geschichten schreiben. Mit vielen bildhaften Formulierungen schafft es die Dichterin, Clara Müller-Jahnke, vor dem inneren Auge eine märchenhafte und friedliche Welt entstehen zu lassen. Die Erde wird von ihr liebevoll als „Königskind“ umschrieben, welches „in lauter Schnee (…) schläft“. Der Märchencharakter entsteht nicht nur durch diese Formulierung, die ein wenig an Dornröschen erinnert, sondern auch durch den „blauen Mondscheinzauber“, welcher sich über den See spinnt und wortwörtlich eine zauberhafte Atmosphäre entstehen lässt.
Nicht nur die erste Strophe beinhaltet Personifikationen, in der zweiten „atmen“ die Büsche und Bäume, die Nacht schweigt „erschauernd“. Im letzten Vers tritt der glitzernde Traum schreitend auf der Bildfläche auf, was durchaus einer Einladung zum eigenen Träumen gleichkommt.
Carolin Eberhardt
Wie in Seide ein Königskind
schläft die Erde in lauter Schnee,
blauer Mondscheinzauber spinnt
schimmernd über der See.
Aus den Wassern der Raureif steigt,
Büsche und Bäume atmen kaum:
durch die Nacht, die erschauernd schweigt,
schreitet ein glitzernder Traum.
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