Lou Andreas-Salomé Clara Rilke-Westhoff
Ach gerne möchte ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
An einer fremden stillen Stelle, die
Nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
0 süßes Lied.
Rilke fühlte sich nicht in der Lage, eine Antwort auf die Frage: »Was ist Liebe« zu geben. In einem Brief an den damals 20-jährigen Franz Xaver Kappus hielt er es jedoch für lohnend, die Liebe als Last und Lehrzeit um einer besseren Zukunft willen auf sich zu nehmen:
»Darin aber irren die jungen Menschen so oft und so schwer; dass sie (in deren Wesen es liegt, keine Geduld zu haben) sich einander hinwerfen, wenn die Liebe über sie kommt, sich ausstreuen, so wie sie sind in all ihrer Unaufgeräumtheit, Unordnung, Wirrnis ...: Was aber soll dann sein?
Kein Gebiet menschlichen Erlebens ist so mit Konventionen versehen wie dieses; Rettungsgürtel der verschiedensten Erfindung, Boote und Schwimmblasen sind da; Zuflüchte in jeder Art hat die gesellschaftliche Auffassung zu schaffen gewusst, denn, da sie geneigt war, das Liebesleben als ein Vergnügen zu nehmen, musste sie es auch leicht ausgestalten, billig, gefahrlos und sicher, wie öffentliche Vergnügungen sind.
Wer ernst hinsieht, findet, dass, wie er für den Tod, der schwer ist, auch für die schwere Liebe noch keine Aufklärung, keine Lösung, weder Wink noch Weg erkannt worden ist; und es wird für diese beiden Aufgaben, die wir verhüllt tragen und weitergeben, ohne sie aufzutun, keine gemeinsame, in Vereinbarung beruhende Regel sich erforschen lassen.
Wenn wir aber doch aushalten und diese Liebe auf uns nehmen, als Last und Lehrzeit, statt uns zu verlieren an all das leichte und leichtsinnige Spiel, hinter dem die Menschen sich vor dem ernstesten Ernst ihres Daseins verborgen haben, - so wird ein kleiner Fortschritt und eine Erleichterung denen, die lange nach uns kommen, vielleicht fühlbar sein; das wäre viel.«
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Textquelle: "Reden wir von der Liebe", Herausgeber: Florian Russi, erschienen im Bertuch Verlag Weimar, 2007
Vorschaubild, Rainer Maria Rilke, gemeinfrei, bearbeitet von Andreas Werner
Lou Andreas-Salomé, gemeinfrei
Clara Rilke-Westhoff, gemeinfrei