Der Frühling als Atem (Odem) der Liebe – so charakterisiert die deutsche Dichterin Cäcilie Zeller die Jahreszeit des Blühens und Auflebens. Die Frühlingsluft möchte sie gern trinken, diese Synästhesie vermittelt den Eindruck, dass Zeller den Frühling ganz in sich aufnehmen möchte. Denn der Lenz belebt nicht nur Pflanzen und Tiere, lässt aus der Morgenröte den Tau auf die Halme und Blüten niederperlen, sondern verstärkt auch die Sinne des Menschen. Die Jahreszeit erweckt in der Dichterin die Impression von unter uns wandelnden Himmelsgeschöpfen, denn Gottes Schöpfung manifestiert sich in Form der blühenden, prachtvollen Vegetation.
Carolin Eberhardt
Frühling, Odem der Liebe,
Wehest selig mich an!
Überströme mich,
Frühlingsduft!
Trinken möcht' ich dich,
Süße Luft!
Wie es wehet und waltet,
Wie sich's regt und entfaltet!
Wie die Schwingen sich heben
In dem blühenden Leben!
Wie aus der Morgenröte der Tau
Perlend hernieder sich senkt,
Freundlich auf frischer, duftender Au'
Halmen und Blüten tränkt;
Schwebst du aus ew'gem Gefild,
Frühling, lieblich hernieder,
Zeigst uns himmlische Brüder
Lächelnd im irdischen Bild.
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Vorschaubild: Carolin Eberhardt, 2021.