„Wir haben nur gedacht, [...] Und vor den Gedanken [...], den blossen Gedanken, hat der N.S. eine solche Angst, daß er alles, was damit infiziert ist, ausrotten will. Wenn das nicht ein Kompliment ist."
(Aus einem Brief an Freya Moltke vom 10. Januar 1945)
Ein hochgewachsener, ernster Mann mit einer starken sozialen Persönlichkeit. Ein präziser Beobachter, der internationale Verbindungen pflegte. Er war die geistige Triebkraft des „Kreisauer Kreises", einer der wichtigsten Widerstandsgruppen während des Nationalsozialismus.
Helmuth James von Moltke entstammte dem preußischen Adel. Am 11. März 1907 wurde er auf dem niederschlesischen Landgut Kreisau geboren. Seine Mutter, die südafrikanische Britin Dorothy Rose Innes, deren Vater oberster Richter der Südafrikanischen Union war, brachte wichtige liberale und kosmopolitische Impulse in die Familie ein, die die Grundlage für Moltkes spätere politische Entwicklung bildeten. Sie gehörte gemeinsam mit ihrem Mann einer christlichen Glaubenslehre, der Christian Science an, deren Verbreitung sie in Deutschland mitbegründete.
Ab 1925 studierte der junge Moltke Rechts- und Staatswissenschaften, zunächst in Breslau, dann in Berlin und Wien. Während seiner Studienzeit war er häufig Gast im Schwarzwaldkreis um die Schulreformerin und Philanthropin Eugenie Schwarzwald. In ihrem Sommerhaus im österreichischen Salzkammergut lernte er 1929 seine spätere Frau Freya Deichmann kennen. Nach der Hochschule wollte Helmuth Moltke politisch tätig werden und bewarb sich beim Völkerbund, hatte aber auch die Ambitionen Richter zu werden wie sein bewunderter Großvater, der sich unter anderem für die Rechte der Schwarzen einsetzte. Als der Nationalsozialismus in Deutschland Fuß fasste, kam Moltke von diesem Gedanken ab, weil er um Richter zu werden in die NSDAP hätte eintreten müssen. Stattdessen reiste er nun häufiger ins Ausland, vor allem nach Großbritannien, wo er sein englisches Rechtsanwaltsexamen absolvierte, um bei einer Zuspitzung der Situation dort gute Berufsaussichten zu haben.
Helmuth von Moltke war von Anfang an Gegner des Nationalsozialismus. Für die stumpfsinnigen Parolen war er zu kritisch. Für die offensive Gewalt und ängstliche Unterwürfigkeit seiner Mitläufer zu tief in seinem christlichen Menschen- und Weltbild verwurzelt. Er war nicht nur ein hochbegabter Intellektueller, sondern besaß auch die Gabe Menschen unterschiedlichster Gesinnung an einen Tisch zu bringen. Das hatte er schon zu Studienzeiten bei der Gründung der „Löwenberger Arbeitsgemeinschaft" unter Beweis gestellt. Dieses freiwillige Lager für junge Bauern, Studenten und Arbeiter sollte zu gemeinschaftlichem Gedankenaustausch und Wirtschaften einladen sowie konfessionelle Differenzen überbrücken.
Fragen, die Moltke zum Widerstand brachten, sind Fragen, die heute noch Geltung finden. Macht man sich mitschuldig, wenn man gegen Unrecht nicht einschreitet? Darf man einen Diktator umbringen, um eine friedlichere Staatsform einzuläuten? Moltke lehnte den Tyrannenmord sehr lange konsequent ab. Konsequent war er ebenfalls in Bezug auf seine Erkenntnisprozesse. Immer hinterfragte er sich selber. Das zeigt sein riesiger Briefnachlass sehr eindrücklich. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs schwanden Moltkes Hoffnungen auf ein baldiges Ende des braunen Spuks. Er versuchte nun durch seine Anstellung als Sachverständiger beim Oberkommando der Wehrmacht, seinen Möglichkeiten entsprechend in das System einzugreifen. Als Experte für Kriegs- und Völkerrecht im Amt Ausland/Abwehr unter Admiral Wilhelm Canaris setzte er sich für Verfolgte und Geiseln ein und war bemüht Folterungen und Erschießungen abzuwenden.
Im Januar 1944 wurde Helmuth von Moltke festgenommen und in Ravensbrück in Schutzhaft genommen. Er hatte einen Freund vor dessen drohender Verhaftung gewarnt. Als herauskam, dass einige Mitglieder des „Kreisauer Kreises" Eingeweihte des Hitler-Attentats vom 20. Juli 1944 waren, geriet auch Moltke ins Visier der Ermittlungen. Er wurde in die Haftanstalt Tegel verlegt.
Mit 37 Jahren wurde er am 23. Januar 1945, wenige Monate vor dem Ende der nationalsozialistischen Terrorherrschaft, in der berüchtigten Hinrichtungsstätte Berlin-Plötzensee erhängt. Helmuth von Moltke hatte auch im Wissen um sein Todesurteil den Mut besessen zu seinen Überzeugungen zu stehen. Ein Zitat von ihm überliefert diese Haltung: „Macht eine Legende aus uns."
Quellen:
• Helmuth James von Moltke. Briefe an Freya 1939-1945. Hrsg. von Beate Ruhm von Oppen. München: dtv 1995.
Bildquellen:
Vorschaubild, Volksgerichtshof, Helmuth James Graf v. Moltke, Bundesarchiv, Bild 147-1277 / CC-BY-SA
Moltke vor dem Volksgerichtshof, C-BY-SA-3.0,2.5,2.0,1.0, HopsonRoa, Wikipedia
Moltke beim Prozeß im Volksgerichtshof, Bundesarchiv, Bild 151-08-01A / CC-BY-SA