Gottfried Keller wurde am 19. Juli 1819 als Sohn eines Drechslermeisters in Zürich geboren. Als der Junge 5 Jahre war, starb der Vater. Die Mutter erzog den schwer lenkbaren Knaben mit äußerster Sparsamkeit. 1854 wurde er wegen eines harmlo-sen Streiches aus der kantonalen Industrieschule in Zürich ungerecht entlassen (wo-ran er bis an sein Alter litt) und war damit von der höheren Bildung ausgeschlossen und zur „verfluchten Autodidakterei" verurteilt. Bis 1845 verträumte und vertrödelte er ziemlich untätig seine Tage und begrübelte sein Elend. Er wollte zunächst Maler werden, übte sich daheim, ging dann zur Ausbildung nach München (1840-42), wo er das knappe Geld vergeudete und viel Not litt. Er gab die Ausbildung wieder auf und kehrte in der Erkenntnis der eigenen Unzulänglichkeit nach Zürich zurück (als „ge-meines, untätiges und verdorbenes Subjekt"). Hier vertrödelte er weiterhin seine Zeit. Schlie&szlszlig;lich wandte er sich der Dichtkunst zu, zunächst mit politischen Gedichten (1846), die große Anerkennung fanden. Angeregt durch die Sonderbundskämpfe und in Gefolge Herweghs, Freiligraths und Hoffmanns von Fallersleben stürzte er sich, ein glühender Demokrat, als Freischärler in die politischen Streitigkeiten.
Werke:
Roman:
„Der grüne Heinrich", 1. Fassung 1851/55, 2. Fassung 1879/80
Novellen:
„Die Leute aus Seldwyla", 1. Bd. 1855; 2. Bd. 1860/74
„Sieben Legenden" ‚1854/60, Neufassung 1871
„Züricher Novellen", 1878
„Das Sinngedicht", 1882
„Martin Salander", 1886
Lyrik.
Eigenart und Bedeutung: Weltanschauung geprägt von Feuerbach:
Kein Glaube an persönlichen Gott und Unsterblichkeit, stattdessen entschiedene Diesseitigkeit. (Keller berichtet vom starken Eindruck durch Feuerbach, wie dieser „die Frage eines persönlichen Gottes um und umwandte, und, gleich einem Zauber-vogel, der in einem einsamen Busch sitzt, den Gott aus der Brust von Tausenden hinwegsang"). Die Beschränkung auf das Diesseits führte ihn aber nicht zu pessimis-tischer Lebenseinstellung, sondern (als Ersatz) erst recht zu Lebensoptimismus, Welt- und Wirklichkeitsbejahung, zu einer ehrfurchtsvoll, religiös verklärten Naturfassung, Naturgläubigkeit und -frömmigkeit, zum Glauben an den Menschen als dem Mass aller Dinge, Menschengläubigkeit, Aufgeschlossenheit für alles Menschliche, zu hingebender Erdenfreude, behaglicher Bürgerlichkeit, und (unlogischer weise) zu ernster sittlicher Verantwortung, dem Leben einen Sinn zu geben („da ich keine Aus-sicht habe, das Versäumte in irgendeinem Winkel der Welt nachzuholen"). (In dieser Haltung steht Keller Goethe nahe.) - Daraus entsprang die Forderung und Haltung unbedingter Wahrhaftigkeit, Wirklichkeitstreue, Objektivität. Schlichtes, praktischtätiges Leben; strenge Sittlichkeit; Betätigung der menschlich-edlen Tugenden (Selbstbeherrschung, Selbstlosigkeit, Nächstenliebe, Dienst an der Gemeinschaft); Kampf gegen alle Selbstherrlichkeit, Scheinheiligkeit, Heuchelei, Unwahrhaftigkeit, nebulose Schwärmerei und Träumerei, romantische Stimmung. Nur wer Wahrheit und Sitte siegen läßt, erringt das Glück. Andrerseits aber doch keine naturalistisch-rücksichtslose Naturtreue, sondern die Wirklichkeit schöpferisch erhöhende und vergeistigende Phantasie und Symbolik - allerdings gebändigt durch strenge Wahrheit und Sitte.
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Teaserfoto: wikimedia; Gottfried Keller, Pastell von Ludmilla Assing. Von Kellers Hand darunter: „Zeit bringt Rosen, den 2. Mai 1854" - gemeinfrei