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Horst Nalewski

Goethe hat ihn bewundert

Goethes Begegnungen mit Felix Mendelssohn Bartholdy

Der Musikkenner und international geachtete Literaturwissenschaftler Horst Nalewski erzählt anhand fünf ausgewählter Beispiele von dem außergewöhnlichen Aufeinandertreffen und Zusammenwirken zweier Künstler. Hörbeispiele sind über QR-Codes abrufbar.

Nachtmusik

Nachtmusik

Christina-Maria Jahn

Zum Schreiben habe ich Kerzen entzündet und Wein eingeschenkt. Ein frischer Bogen blaues Papier wartet gespannt in der Schreibmaschine, wartet nur darauf, von meinen Worten bepinselt zu werden, während Chopin sanft auf der Platte kratzt. Es ist Dienstagabend, zum Schreiben habe ich Grenzen gezogen: Ein Abend in Rausch und Kerzenschein, mal wieder bei sich sein, Absagen erteilen an alle lieben Ablenkungen. Wie wohltuend es doch ist, endlich alleine zu sein und dabei doch in Gesellschaft eines ungeduldigen Blattes und einer Maschine, die nach Berührung lechzt. Es ist wie Nachhause kommen, obschon mein Herz heimatlos bleibt. Nur der Wind kennt meinen Namen. Doch ich schreibe ohne Namen, schreibe unbeständig wie der Wind, schreibe mich frei. Ich wandle durch eine Heimat ohne Grenzen, in der die Fremde lebt. Ich streiche durch ein Reich der tausend Bilder: Durch einen Dschungel smaragdgrüner Vögel, die in knisternden Bauchhöhlen nisten; durch eine Höhle hinter der Iris: kalt, schwarz und bodenlos. Da noch kauernd, bald schon fliegend, schwinge ich mich über die Dächer und Sterne und Seelen empor, bis ich schließlich ganz Musik werde.

Klickklack Klickklack Bing.

Ich tippe den Takt, der Takt bin ich und ich fließe, ströme und flöße dem Papier Leben, der Maschine meinen Rhythmus ein. Ich stifte Leben, so viel lautes Leben tief in mir. Das Leben, das bin ich. Hier bin ich ganz Gott, mit verschwommenem Blick schreibe ich, tippe ich, hämmere ich, bis sich das Ich zersetzt, nur noch Hülle, Kokon ist, aus dem sich die Art, der Stil, das Selbst entpuppt. Bis ich Mensch schließlich ganz zu Rhythmus, ganz zu Wort zerfließe. Mein Fleisch zersetzt sich, löst sich vom Knochen, bis ich nur noch Hülle bin, die das Selbst nicht zu halten vermag, so impulsiv drängt die Intuition in die Poren des Papiers, so frei strömt ein Wille in die Macht meiner Wörter.

Beinahe ist mir, als ob die Wörter sich selber finden, als seien sie Vertraute aus früheren Leben. Unzählig oft gepaart, unzählig oft geschieden. Doch ich höre ihnen zu, bin geduldig und biegsam, biete ihnen Leerzeichen zum neu verlieben. Ich bin nichts außer Medium, durch das die Magie der Emotionen, der Zauber eines entzündeten Herzens hindurchströmt. Der Tod des Egos? Er ist real und ich suizidiere mich Takt um Takt, Taste um Taste, Klickklack Klickklack Bling.

Bis mein Herz explodiert und die Nacht mich verschluckt.

Klickklack Klickklack bling.

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